Der zu einer guten Tradition gewordene Milchrindtag von KOESLING ANDERSON jährte sich in diesem Jahr bereits zum dreiundzwanzigsten Mal. Die Fachtagungen fanden am Firmenstandort in Broderstorf am 14.03.2022 und am 24.03.2023 im thüringischen Pfiffelbach statt, wo wir zu Gast beim dortigen Landwirtschaftsunternehmen waren. Tim Koesling verwies in seiner Eröffnung darauf, dass sich die Milchviehhalter mit einer Entwicklung der Märkte sowohl für landwairtcsahftliche Erzeugerprodukte als auch für Produktionsmittel konfrontiert sehen, welche vollkommen von dem bisher Bekannten abweichen. Die Landwirte stehen daher vor neuen Herausforderungen, was zu einem großen Interesse an den Veranstaltungen geführt hat. Nahezu 100 Gäste aus dem Kreise unserer Beratungsbetriebe wurden begrüßt.
Herr Dr. B. Heidemann (KOESLING ANDERSON) nahm daher in seinem Referat zu den Aspekten der Wirtschaftlichkeit und zum Management in der Milchproduktion Bezug auf die aktuellen und die zurückliegenden Entwicklungen der Märkte. Grundlage für seine Betrachtungen bildet der HORIZONTALE BETRIEBSVERGLEICH von KOESLING ANDERSON für das Auswertungsjahr 2021, in welchem Milchviehbetriebe mit mehr als 800 Mio. kg verkaufte Milchmenge ausgewertet wer-den. Bei der Milchpreisentwicklung von 2015 – 2021 zeigt sich eine Schwankungsbreite der Aus-zahlungspreise von 26,7 ct/kg (2016) bis zu 37,3 ct/kg (2017) von nahezu 11 ct. Den oberen 25 % der Auswertungsbetriebe ist es während dieses Zeitraumes dennoch gelungen, stets positive Deckungsbeiträge von durchschnittlich 6,4 ct zu erzielen. Lediglich in 2016 war Cashflow negativ und nur in 2 Auswertungsjahren hat diese Betriebsgruppe keinen Gewinn erzielt (s. Abb. 1).
Die Gründe liegen vor allem in niedrigeren Futterkosten und einem geringeren Aufwand für Personal bedingt durch ein besseres Management (s. Abbildung 2). Dazu kommen in dieser Gruppe höhere Milchleistungen und geringere Kuhabgangsraten. Einerseits geht Heidemann in der Prognose für 2022 von Milchpreisen aus, welche den Anstieg der Produktionsmittelkosten zunächst überkompensieren. Hierbei wurde im ungünstigsten Fall von einem Kostenanstieg bei Grundfutter von 4,1 ct sowie Kraftfutter von 6,0 ct ausgegangen. Infolge des Anstiegs des Mindestlohnniveaus wird ein Personalkostenanstieg von 0,8 ct für 2022 prognostiziert.
Beide Kostenschwerpunkte Futter und Personal bilden folglich das größte Optimierungspotential. Daher weist Heidemann darauf hin, dass zwischen den oberen 25 % von den abfallenden Betrieben beim Futter im Auswertungsjahr 2021 eine Kostendifferenz von mehr als 4 ct pro kg verkaufte Milch besteht. Als wesentliche Stellgrößen zur Futterkosten-Optimierung werden daher hervorgehoben:
- a) Silagen mit hoher Qualität erzeugen, um die Kraftfutterkosten zu senken.
- b) Grassilagen mit einem hohen Rohfasergehalt von 23-24 % produzieren, indem der Aufwuchs frühzeitig beprobt und der optimale Schnittzeitpunkt systematisch ermittelt wird
- d) optimales Silomanagement (Festfahren, Abdecken, Entnahme)
- f) Leistungsbezogene Fütterung
- f) Überflüssige Komponenten aus den Rationen entfernen.
Die Personalkosten gehören ebenfalls zu den bedeutenden Kostenpositionen und unterliegen einer Spannbreite von 1,5 ct zwischen dem Durchschnitt und den besten10 % der Betriebe. Heidemann verweist darauf, dass eine Arbeitszeitanalyse hilfreich bei der Ermittlung von Reserven in der Arbeitsorganisation ist. Der optimale Arbeitsaufwand beträgt 40 Stunden pro Kuh und Jahr, inklusive Jungvieh. Unter Berücksichtigung des üblichen Zeitaufwandes für die verschiedenen Tätigkeiten im Betrieb lassen sich direkte Potenziale für eine Kostenoptimierung finden. Indirekt lassen sich die Lohnkosten über die Steigerung der abgelieferten Milchmenge bei gleichbleiben-dem Personal senken. Daher wurden für die Personalkosten folgende Empfehlungen abgeleitet:
- a) Den Arbeitsaufwand pro Kuh und Jahr auf 40 Stunden limitieren.
- b) Arbeitszeitanalyse vornehmen, um Produktionsbereiche mit Reserven herauszufinden.
- c) Milchmengensteigerung zur indirekten Absenkung der Stückkosten nutzen (über Steigerung von Milchleistung und /oder Tierzahl).
Zu den Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Milchleistungsentwicklung durch eine optimierte Jungrinder-Aufzucht informierte Herr Stefan Neumann (KOESLING ANDERSON). Die Fütterung und das Management der Jungrinder-Aufzucht sind die Schlüssel für einen erfolgreichen Start in die Laktation. Das Management ist deshalb darauf auszurichten, die 5 Phasen Färsen-Aufzucht optimal zu gestalten:
Die Zielstellung beinhaltet daher, dass die Färse vor der Abkalbung ein Gewicht von 95 % (tragend) bzw. 82 % (nach Kalbung) der adulten Kühe erreichen muss. Andernfalls wachsen die Erstlaktierenden in der Laktation weiter, wobei 1 kg Wachstum in der Laktation 8 kg Milch kostet. Das von Neumann dargelegte Fütterungskonzept stellt somit einen Leitfaden für die Versorgung in den aufeinanderfolgenden Aufzuchtabschnitten zur Erzielung eines Erstabkalbealters von 22 bis 24 Monaten dar. Dieser wird durch einen Fahrplan zur Färsen-Aufzucht mit folgenden Schwerpunkten komplettiert:
- a) wiegen der adulten Tiere (80 – 120 Tage in Milch in 3. bzw. 4. Laktation)
- b) wiegen von Färsen vor und nach der Kalbung (95 bzw. 82 % des adulten Gewichtes)
- c) Soll-Ist-Differenz ermitteln
- d) aktuelle Tageszunahmen in der Jungrinder-Aufzucht ermitteln
- e) Tageszunahmen bis zur 1. Besamung bestimmen (55 % des adulten Gewichtes)
- f) betriebliche Ziele für das Wachstum (Gewicht zu welchem Zeitpunkt erreichen) und für die Gesundheit definieren
- g) Abkalbung so früh wie möglich von Färsen mit normgerechten Gewichten
Das Kostenniveau der Jungrinder-Aufzucht wurde auf der Basis der Auswertungen im JUNG-VIEHMANAGER von KOESLING ANDERSON dargestellt, in welchem spezialisierte Aufzuchtbetriebe mit mehr als 9.300 Jungrindern ausgewertet werden. Ähnlich wie in der Milchproduktion ist auch zwischen den Aufzuchtbetrieben eine erhebliche Kostendifferenz festzustellen. Die Aufzuchtkosten reichen von 1.450 €/Färse (oberes Drittel) bis 1.858 € (unteres Drittel). Wesentliche Einflussgrößen sind hierbei die Futterkosten und die Aufzuchtdauer, sodass folgende Empfehlungen gegeben werden:
- a) Ermittlung von Futteraufnahme und Körpergewicht ist Pflicht
- b) Grundfutter und Restfutter kontinuierlich analysieren
- c) Weide nur angepasst anbieten oder mit Zufütterung
- d) Energie reduzieren ab 250 kg Lebendmasse
- e) Protein nie zu knapp füttern
- f) Prozesskosten spezifisch in jedem Betrieb ermitteln
Die Proteinversorgung hat sowohl in der Jungrinder-Aufzucht als auch in Milchkuhbetrieben eine zentrale Bedeutung. Die Futtermittelmärkte sind derzeit unter Druck, woraus starke Schwankungen bei den Tagespreisen und ansteigende Kontaktpreise resultieren. Herr Wolfgang Dähn (KOESLING ANDERSON) hat daher Aspekte zum Anbau von grobkörnigen Leguminosen als heimische Proteinlieferanten dargelegt. Der Überblick über die Anbauverfahren, Sorten, den Nachbau und die Inhaltsstoffe grobkörniger heimischer Leguminosen wurde durch ökonomische Fragen zu deren Nutzung ergänzt. Die bevorzugten Kulturen stellen die Futtererbse, Lupine und Ackerbohne dar. Da verbreitet nur wenig Erfahrung über den Anbau von Körner-Leguminosen vorliegt, wurde ein Leitfaden zu deren Anbau vorgestellt. Wachsende Bedeutung kann der Leguminosen-Anbau für die eigene Verfütterung unter Berücksichtigung der Substitutionskosten von klassischen Eiweißträgern wie Rapsextraktionsschrot erlangen. Auf der Grundlage des Futterwertes (Energie und Protein nXP) wurden die Substitutionspreise der Leguminosen kalkuliert:
Die Berechnungen zur Futtererbe zeigen beispielsweise, dass deren Substitutionskostenpreis 316 €/t beträgt, wenn die Preise für Rapsextraktionsschrot bei 350 €/t und Futtergetreide bei 280 €/t liegen. Besonders geeignet sind Futtererbsen für Standorte, die vor allem dem Roggen-Anbau vorbehalten sind. Die Wirtschaftlichkeit des Anbaus der Futtererbse stellt sich dann wie folgt dar:
Unter Berücksichtigung eines Substitutionspreises von 316 € pro t Futtererbse ergibt sich gegen-über dem Winterroggen ein Vorteil von 64 € pro t. Für den Anbau von grobkörnigen Leguminosen als heimische Proteinquelle können daher folgende Schlussfolgerungen abgeleitet werden:
- a) Der Anbau von Leguminosen als Eiweiß-Lieferant kann in Zeiten von unsicheren Märkten und eventuell eingeschränkter Lieferbarkeit von Futtermitteln eine Alternative darstellen.
- b) Ob der Einsatz als selbst erzeugtes Eiweiß-Futtermittel lohnend ist, hängt vom Markt-preis der zu ersetzenden Futtermittel ab
- c) Wenn die Probleme in zunehmend engeren Fruchtfolgen ansteigen, kann der Anbau von Leguminosen entzerren und die Ertragsstabilität in Fruchtfolgen verbessern.
- d) Um den Leguminosen-Anbau attraktiv für Ackerbau- bzw. Veredelungsbetrieben zu machen, müssen Anreize geschaffen werden; diese erfolgen derzeit nicht vom Markt, könnten aber durch zusätzliche Prämien (z. B. Fruchtartendiversifizierung) unterstützt werden; der Prämienbedarf liegt bei 50 bis 100 € je ha
- e) Es ist daher empfehlenswert, individuell je Betrieb die ökonomische Struktur bezüglich der Produktion von Leguminosen zu kalkulieren
Die Agrargesellschaft Pfiffelbach hat im Jahr 2019 eine neu gebaute Milchviehanlage bezogen und hält seit dem 1.130 Kühe. Der Geschäftsführer Her Dr. Fliege verwies deshalb darauf, dass die Milchproduktion ein wichtiges wirtschaftliches Standbein des Unternehmens darstellt. Leistungsfähige und gesunde Kühe seien folglich das Produktionsziel des Unternehmens. Frau Katharina Witt stellte daher das betriebliche Management und Tiergesundheits-Monitoring unter Nutzung sensorischer Systeme vor. Die hierfür genutzte Sensortechnik umfasst die Nutzung von Transpondern, die Datenerfassung mittels Antennen und die Datennutzung durch mobile bzw. stationäre Endgeräte. Aller 2 Stunden erfolgt eine Datenübertragung, welche vorrangig die Parameter Bewegungsaktivität und Wiederkauaktivität beinhalten und auswerten. Sie werden neben der Herde auch für das Einzeltier übersichtlich dargestellt (hier: Kuh mit Labmagenverlagerung):
Aus den ermittelten Daten werden Alarmlisten generiert, welche täglich um 6:00 Uhr ausgedruckt werden und sich in die Listen der „Brunstkontrolle“ und der „Gesundheitskontrolle“ unterteilen. Für die gemeldeten Tiere erfolgt zunächst eine Überprüfung der Parameter und der ausgewiesenen Verlaufskurven. Im Anschluss werden die brünstigen Tiere markiert und für den Besamer bereitgestellt. Die Erkennungsrate brünstiger Tiere wird von Frau Witt mit bis zu 99 % beurteilt, woraus optimale Fruchtbarkeitsergebnisse resultieren:
Die Jahresauswertungen zeigen, dass seit Beginn der Nutzung der Sensortechnik (ab Mitte 2017) die Zwischenbesamungszeit erheblich vermindert und die Trächtigkeitsrate aus EB deutlich an-gestiegen sind (Brunsterkennung). Die daraus resultierende Zwischenkalbezeit von 382 Tagen in 2021 stellt vor dem Hintergrund einer Herdenleistung von mehr als 11.300 kg ein besonders gutes Ergebnis dar. Die auf der „Gesundheitsliste“ als auffällig ausgewiesenen Tiere werden separiert und dort ein kurzer Gesundheitsscheck am Tier vorgenommen (Fieber messen, Euterkontrolle, Ketose-Test, Lahmheitskontrolle). Je nach Befund wird eine entsprechende Behandlung veranlasst. Werden zunächst keine Auffälligkeiten festgestellt, erfolgt die Umstellung für 1 bis 2 Tage eine separate Gruppe zur Beobachtung. Dadurch wird eine frühzeitige Erkennung einer beginnenden Erkrankung ermöglicht, wodurch positive Effekte auf die Tiergesundheit resultieren:
Dass sich die Investition in die Sensortechnik auszahlt, zeigt das Erkrankungsniveau bei den wichtigsten Erkrankungen, welche alle die bestehenden Normen erfüllen. Die gute Tiergesundheit widerspiegelt sich darüber hinaus in lediglich 20,6 % Zwangsabgängen im zurückliegenden Jahr 2021. Frau Witt beurteilt daher die Nutzung sensorischer Systeme zum Gesundheitsmonitoring als besonders geeignet, wenn die ermittelten Daten systematisch in das Herdenmanagement integriert werden.